…Graubünden
(1) Wofür ist steht Ihr Kanton typischerweise, wirtschaftlich gesehen? Wie hat sich der Standort entwickelt in den letzten 5-10 Jahren, können Sie uns einen kleinen Einblick geben, ein paar Zahlen und Fakten?
Graubünden steht für sehr gute wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen, kurze Wege innerhalb der Verwaltung, Internationalität, Wasserkraft, hohe Lebensqualität, kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit. Die gute Erschliessung über die Nord-Süd-Transitachsen, das ausgezeichnetes Bildungssystem, moderate Steuern mit einer sehr interessanten Abschreibungspraxis und die Verfügbarkeit von attraktiven Ansiedlungsflächen für die Industrie tragen zur Attraktivität des Wirtschaftsstandortes bei. Im Bündner Rheintal, Vorderen Prättigau und in der Mesolcina sind wertschöpfungsintensive, weltweit ausgerichtete Industrieunternehmen beheimatet. International bedeutend ist auch der Forschungsplatz Davos mit diversen Forschungsinstituten. Graubünden ist der bedeutendste Tourismuskanton der Schweiz und als Stromproduzent aus Wasserkraft ein wesentlicher Versorger der schweizerischen Volkswirtschaft.
Graubünden zählt rund 100’000 Arbeitsplätze. Die Land- und Forstwirtschaft beschäftigt rund 4,5%, die Industrie und das produzierende Gewerbe rund 25% und der Dienstleistungssektor rund 71% Personen. 45% der kantonalen Wertschöpfung wird im Bündner Rheintal erbracht und steigt stetig an. Insgesamt weist Graubünden ein leichtes Bevölkerungswachstum auf. Das BIP (2013) beläuft sich auf rund 13.7 Mia. Die wichtigsten Warenexportländer sind Deutschland (23,2%), USA (10.7%), China (7,9%) und Italien (7,3%).
(2) Wie viele Startup-Gründungen gab es in Ihrem Kanton in den letzten 5 Jahren? Wie wichtig sind Startups für Ihren Standort?
Startups und Jungunternehmer sind für Graubünden sehr wichtig und können über die Innovationsstiftung gefördert werden. Es liegen keine umfassenden, statistischen Angaben über Startup-Gründungen in Graubünden vor, da es auch keine klare, allgemeingültige Definition dazu gibt. Wenn man Startups und Spinoffs im Sinne von innovativen, technologieorientierten Jungunternehmen, die im Rahmen der Innovationsstiftung gefördert wurden, dann sprechen wir in den letzten Jahren von rund 30 Jungunternehmen.
Sie tragen einerseits zur Innovationskultur eines Wirtschaftsraumes bei und stellen andererseits Wertschöpfungspotential für die Zukunft dar.
Im Kanton Graubünden werden jährlich rund 200 – 250 Unternehmen gegründet und dadurch 400 Arbeitsstellen geschaffen. Bei den allermeisten Neugründungen handelt es sich um neue Unternehmen in den Branchen wie Bau, Handel, Beratung und Gastronomie. Diese Branchen weisen eine eher tiefe Eintrittsbarriere auf und sind oft nicht Betriebe, die gemeinhin als Startups bezeichnet werden.
(3) Welche Ziele hat sich die Standortförderung für die nahe Zukunft gesetzt? Was wollen Sie für den Kanton erreichen?
Wir wollen die Standortattraktivität unseres Wirtschaftsstandortes weiter erhöhen, damit bestehende Industrieunternehmen weiterhin in Graubünden investieren und sich neue, export- und technologieorientierte Unternehmen in Graubünden ansiedeln. Wir erreichen dies, indem wir uns dafür einsetzen, dass sich die Rahmenbedingungen verbessern. Mit der Verfügbarkeit von Industrieflächen, mit den im Vergleich zu Agglomerationen tieferen Infrastrukturkosten und der grosszügigen Abschreibungspraxis sind als Standort für Produktionsbetriebe sehr attraktiv. Wir tragen dazu bei, dass das Bildungs-, Forschungs- und Innovationssystem auf die Bedürfnisse der Industrie ausgerichtet und der Wissens- und Technologietransfer erleichtert wird. Zudem ist es uns ein wichtiges Anliegen, dass Graubünden eine wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung anbieten kann.
(4) Welche Branchen nehmen Sie in den Fokus und weshalb?
Im Fokus stehen Forschung- und Produktionsaktivitäten in den Bereichen Life Science (Medtech, Pharma, Biosciences), ICT, Mechatronics&Photonics (Maschinenbau, Sensoren, Automation) und Kunststoffe. Namhafte, internationale Unternehmen wie beispielsweise die Ems Chemie, Hamilton, Trumpf und Cedes sowie renommierte Forschungsinstitute wie das Centre Suisse d’Electronique e Microtechnique ( CSEM SA), die AO Foundation und Swiss Institute of Allergy and Asthma Research (SIAF) sind in diesen Branchen tätig. Das Alpenrheintal stellt auf engem Raum ein Industriecluster dar. Einen speziellen Stellenwert nehmen optische Technologien ein. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Chur bietet den schweizweit einzigartigen Bachelorstudium in Photonics an.
(5) Wir vertreten die Interessen der Schweizer Fintech Startups, daher ist es für unser Netzwerk besonders interessant zu wissen, welcher Stellenwert Fintech für Sie einnimmt. Spielt Fintech für die Standortförderung eine Rolle und gibt es Pläne bzw. Ziele?
Verschiedene Vertretungen von international und national tätigen Finanzdienstleister im Bank- und Versicherungsumfeld sowie bedeutende Softwareanbieter für die genannten Branchen (z.B. Inventx AG oder Würth ITensis AG) sind in Chur vertreten und generieren hohe Wertschöpfung. Unternehmen, welche Finanztechnologien als innovative Lösungen in den Anwendungsbereichen der ICT, Beratung, Finanzierung, Bezahlung, Anlage und Vorsorge sowie der Absicherung nehmen auch in Graubünden einen wichtigen Stellenwert ein. Als innovative Projekte und Unternehmen können sie in der Startup- bzw. Entwicklungsphase entsprechend gefördert werden.
(6) Wie sieht Ihrer Meinung nach das optimale Startup-Ökosystem aus? Was tun Sie innerhalb Ihres Kantons, um Startups zu fördern?
Die Jungunternehmerförderung soll idealerweise in Sinne eines Gründerzentrums in einem Innovationspark/Technopark konzentriert und eingebettet werden. Dieses Umfeld soll beste Voraussetzung bieten für WTT, Coaching, Vernetzung und shared services auf dem Weg von der Idee zur Eigenständigkeit. Der Kanton und die Stiftung für Innovation, Forschung und Entwicklung haben die Möglichkeit, vielversprechende Startups finanziell zu unterstützen. Mit dem Schweizerischen Institut für Enterpreneurship bei der HTW in Chur unterhält der Kanton eine Leistungsvereinbarung, welche Startup-Unternehmen in ihrer unternehmerischen Absicht beratend unterstützt. Der Kanton Graubünden entwickelt mit anderen Kantonen aus der Ostschweiz ein Regionales Innovationssystem (RIS Ost). Damit sollen KMU und Jungunternehmer bestmöglichst in ihren Innovationsbestrebungen unterstützt werden.
(7) Wie besteuert Ihr Kanton typischerweise den Wert von Aktien an einem Startup für die Zwecke der Vermögenssteuer (in der Annahme, die/der betreffende Aktionär/in hat das Steuerdomizil in Ihrem Kanton)?
Es erfolgt eine Substanzwertbewertung in der Zeit der Aufbauphase. Sobald repräsentative Ergebnisse vorliegen (in der Regel nach 3 bis maximal 5 Jahren), erfolgt eine Bewertung nach der sogenannten Praktikermethode. Gemäss Praktikermethode bestimmt sich der Unternehmenswert als arithmetisches Mittel aus dem doppelten Ertragswert und dem einfachen Substanzwert (Unternehmenswert = [2x Ertragswert + 1x Substanzwert] : 3).
(8) Stellt Ihr Kanton bei der Berechnung der Vermögenssteuer auf Aktien an einem Startup auf Finanzierungsrundenwerte ab (erneut in der Annahme, die/der betreffende Aktionär/in hat das Steuerdomizil in Ihrem Kanton)?
Mangels konkreter Fälle mit Finanzierungsrunden besteht heute keine Praxis in dieser Frage. Die Frage der Bewertung von Start-up Gesellschaften wurde vom Vorstand der Finanzdirektorenkonferenz aufgenommen und der Schweizerischen Steuerkonferenz zur Analyse und Beurteilung eines allfälligen Handlungsbedarfs zugewiesen.
- a) Falls ja, beabsichtigen Sie, dies in absehbarer Zeit zu ändern oder sehen Sie anderweitige Anzeichen dafür, dass sich das in Ihrem Kanton ändern könnte?
- b) Falls nein, worauf stellt Ihr Kanton ab (Substanzwert, Wert gemäss Praktikermethode, andere Werte)?
Mangels konkreter Fälle (vgl. oben) besteht derzeit keine Praxis. Soweit sich künftig entsprechende Bewertungsfragen im konkreten Fall stellen, ist die Kantonale Steuerverwaltung Graubünden gegenüber sachgerechten Bewertungsmethoden offen.
(9) Weshalb sollte ein Gründer Ihren Kanton als Standort wählen?
Unter dem Motto “Work where you love to live” bewerben wir Graubünden als Wirtschaftsstandort mit hoher Lebensqualität. Gründer schenken wir unsere besondere Aufmerksamkeit. Die persönliche Beratung und finanziellen Fördermöglichkeiten sollen den Einstieg in die Selbständigkeit erleichtern und unterstützen. Das Gründerzentrum “Innozet” bietet Jungunternehmern Coachingleistungen und günstige Lokalitäten in einem industriellen Umfeld. Institute für angewandte Forschung wie das CSEM tragen dazu bei, dass Jungunternehmer ihre innovativen Ideen auch technologisch umsetzen können. Die im Vergleich zu den Agglomerationen tieferen Immobilien- und Infrastrukturkosten stellen vor allem in der Aufbauphase des Unternehmens einen monetären Vorteil dar.
(10) Können Sie angehenden Gründer einige Tipps geben? Gibt es eine Art Wegweiser oder Begleitung für den Gründungsprozess?
Folgende Stellen unterstützen Unternehmer im Gründungsprozess durch kostenlose Beratungen und bei den beiden erstgenannten auch mit allfälligen, finanziellen Förderleistungen:
- Amt für Wirtschaft und Tourismus: Standortentwicklung Industrie
- Stiftung für Innovation, Entwicklung und Forschung Graubünden
- HTW Chur: Schweizerische Institut für Entrepreneurship mit ihrem KMU-Zentrum
- Innozet AG in Grüsch
Amt für Wirtschaft und Tourismus Graubünden (AWT)
Eugen Arpagaus, Amtsleiter
Grabenstrasse 1, 7001 Chur
E-Mail: eugen.arpagaus(at)awt.gr.ch
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