Der Schweizer Franken wird immer teurer, der Euro droht zu zerfallen, das Verschwinden des Bargelds macht vielen Menschen Angst, andere fordern hingegen die komplette Abschaffung – Was wird eigentlich aus unserem Geld?
Christina Kehl, Swiss Finance Startups
Hier müssen wir uns wohl zuerst die Frage stellen, was ist Geld überhaupt? Vom reinen Tauschhandel haben sich die Menschen sehr früh verabschiedet, die Einführung von Geld beziehungsweise einer Währung machte den Handel sehr viel einfacher und schneller. Wir alle kennen die Entwicklung vom Warengeld zum Münz- und Papiergeld. In Äthopien und Eritrea wurde über Jahrhunderte hinweg Salzgeld als Zahlungsmittel verwendet und prägte den uns bekannten Ausdruck Salär (von lat. salarium, Salz). Nun sind Salzblöcke in grossen Mengen eher unhandlich, bei feuchter Witterung lösen sich diese auf, Münzen und später Papiergeld erwiesen sich als praktischer, stabiler, leichter und schneller.
Auf den mikronesischen Inseln beim Volk der Yap ist mit Rai, dem Steingeld, eine der wohl ersten in gewisser Weise wirklich virtuellen Währungen entstanden. Rai sind Steinscheiben mit bis zu vier Metern Durchmesser und bis zu fünf Tonnen Gewicht. Wenn eine Steinscheibe den Besitzer wechselt, bleibt diese meist aufgrund des Gewichts an Ort und Stelle. Die Besitzverhältnisse werden im Gedächtnis festgehalten. Die Währung Rai wird also in der Regel nicht physisch bewegt, sondern nur virtuell. Auch ihr Wert ist virtuell, denn der Stein selbst hat praktisch keinen Materialwert. Übrigens genau wie unser Papiergeld – Franken, Dollar, Euro.
Die Beispiele zeigen deutlich, dass es keinen absoluten Wert von Geld beziehungsweise einer Währung gibt. Geld, gleich in welcher Form, hat den Wert, den wir ihm als Menschen zuweisen. Geld ist demnach nichts weiter als eine gemeinsame Idee, die gemeinsame Vorstellung von Wert, eine Einigung und daher von Grund auf virtuell.
In den vergangenen Jahrzehnten haben wir uns dem digitalen Tausch von Geld zugewandt. Das Gehalt wird monatlich auf das Konto überwiesen, Steuern und Versicherungen werden teilweise direkt abgezogen, Rechnungen bezahlen wir per Überweisung und selbst an der Kasse wird grösstenteils die Kreditkarte akzeptiert. Statt dass wir Münzen oder Scheine von einer zur andern Hand übergeben, werden auf Computern Nullen und Einsen geschrieben. Im digitalen Zeitalter und in einer globalisierten Welt, in der wir unserem Geschäftspartner nur noch selten direkt gegenüber stehen, brauchen wir den digitalen Zahlungsverkehr, denn nur so können wir ein Geschäft mit jemandem am anderen Ende der Welt in kurzer Zeit abwickeln.
Unser digitaler Zahlungsverkehr basiert heute grösstenteils auf nationalen Währungen. Dies bedeutet, dass monetäre Transaktionen über Institutionen, also Banken und Staaten, abgewickelt werden. Und jedesmal verlieren wir Zeit und Geld, wenn wir Beträge über Länder- und Währungsgrenzen transferieren, solange diese Institutionen als Gatekeeper dazwischenstehen.
Im analogen Zeitalter, als wir Objektgeld getauscht haben – ganz gleich ob Salzblöcke oder Papier – war unser Handel beschränkt auf die Geschwindigkeit des Menschen. Heute sind es die Prozesse in
Banken, die die Geschwindigkeit bestimmen. In Zukunft werden wir diese Institutionen umgehen und die Technologie allein wird die Geschwindigkeit bestimmen.
Die Yap machen mit ihren Steinscheiben vor, wie Blockchain-Technologie funktioniert. Unsere Steinscheiben heissen heute Bitcoin oder Ethereum und unser Gedächtnis sind die Datensätze, die im dezentralen Netzwerk gespeichert werden. Wir befinden uns derzeit in einer Umbruchphase, in der zwar digitalisierte nationale Währungen Normalität sind, aber digitale oder Crypto-Währungen noch etwas für Insider. Ein völlig normaler Vorgang wie bei jeder technologischen Neuerung. Mobiltelefone, Computer, das Internet – anfangs waren diese Dinge kompliziert, langsam, schwer zu verstehen und nur Spezialisten zugänglich. Doch nach relativ kurzer Zeit wurde alles davon zum Mainstream-Produkt, wenn nicht sogar unentbehrlich. Digitale Währungen werden denselben Weg nehmen.
Und mehr noch, digitale Währungen werden nur der Anfang sein, denn die Technologie dahinter lässt sich auch auf andere Lebensbereiche ausweiten. So werden wir uns über Smart Contracts komplett vom Papierzwang verabschieden. Kaufvertrag, Fahrzeugausweis, Versicherungspolice – ob ein Vertrag schriftlich vorliegt oder nicht, wird nicht mehr relevant sein. Die Grundlage der digitalisierten Welt sind Daten. Und derzeit sind sich Nutzer der Werthaltigkeit ihrer Daten noch nicht bewusst. Daten sind schon heute monetarisierbar und bereits 2006 hat Clive Humby mit seinem Buch die These aufgestellt „Data ist the new oil“. Schon heute bezahlen wir mit unseren Daten, jedes Mal wenn wir kostenfreie Online- oder Mobile-Angebote wahrnehmen. Und dieses bezahlen per Daten wird nicht nur zunehmen, sondern auch bewusster passieren.
Banken werden ihre klassische Rolle als Finanz-Intermediär zwangsläufig verlieren. Denn wenn nationale Währungen an Relevanz verlieren, werden Banken ihre Rolle in der digitalisierten Welt neu finden müssen und Daten werden dabei zum wichtigsten Rohstoff. Eine Bank kann zum Beispiel zum Marktplatz für validierte und qualifizierte P2P-Finanzdienstleistungen werden.
In einer Welt, in der Daten selbst zur Währung werden, können Banken zu „Daten-Banken“ werden und für ihre Kunden die persönliche Freigabe von Daten überwachen und steuern. Daten sind eine nicht weniger sensible Währung als Franken oder Dollar, wer sie verwaltet und damit handelt, muss Vertrauen aufbauen. Dies ist eine besondere Chance für die Schweiz, da die Schweiz als sicherer Hafen für Stabilität, Seriosität und Vertrauenswürdigkeit steht. Der Finanzplatz Schweiz kann künftig von Schweizer Daten-Banken bestimmt werden.
Dafür brauchen Banken per sofort ein Pivotierungs-Mindset, um sich diesen sich stetig verändernden Marktgegebenheiten anpassen zu können. Die Banken der Schweiz müssen bereit sein komplett neue Wege zu gehen.
Wir kennen diese Entwicklung aus anderen Branchen, der Automobilindustrie zum Beispiel. Die ersten Automobile waren unglaublich teuer, langsam, unpraktisch und eigentlich nur für Technik-Spezialisten nutzbar. Aber die Visionäre haben das Potential erkannt und die Entwicklung vorausgesehen. Dieter Zetsche hat in einer Keynote dieses Jahres darauf verwiesen, dass die Denke von Daimler und Benz, die von Startup-Unternehmern war, die ihrer Zeit weit voraus waren. Wer den Trend nicht erkannt und weiterhin die Kutsche optimiert hat, der war schnell Geschichte. Schweizer Banken dürfen nicht weiter an der Kutsche feilen. Innovation heisst, überlebte Konzepte zu begraben und komplett neu zu denken. Startups kommt dabei eine wesentliche Rolle zu. Denn Startups treiben den kulturellen Wandel, den es braucht, um die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Seien wir mutig und bauen wir eine neue Welt!
Christina Kehl beim Süddeutsche Zeitung Wirtschaftsgipfel in Berlin.
Panel-Diskussion mit Axel Weber von der UBS sowie Roland Boekhout (ING-DiBa), Miriam Wohlfarth (RatePAY GmbH)
Euros, Bitcoins, Blockchain – was wird aus unserem Geld?
• Wie verändern die Fintechs die Finanzindustrie?
• Zahlen wir künftig nur noch digital?
• Was bedeutet der Umbruch für alle Unternehmen?
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