POSITIONSPAPIER DES VERBANDS SWISS FINANCE STARTUPS ZU OPEN BANKING UND DER PAYMENT SERVICES DIRECTIVE (PSD2)
Open Banking schafft Potential für Innovationen und die Digitalisierung einer Vielzahl von Geschäftsprozessen. Dieses Potential kann genutzt werden, wenn Banken in der Schweiz ihre Schnittstellen für Finanz- und Technologieprovider (Drittanbieter) standardisieren und/oder öffnen und gemeinsam mit ihnen Lösungen entwickeln. Der Verband Swiss Finance Startups (SFS) ruft alle interessierten Parteien auf gemeinsam die Grundlagen für marktwirtschaftliche Open Banking-Lösungen zu schaffen, damit der Finanzplatz Schweiz und mit ihm die gesamte Schweizer Wirtschaft den Anschluss nicht verpasst.
SFS schlägt vor, eine breit aufgestellte Vereinigung zu gründen, welche sich im Wege der Selbstregulierung der Ausarbeitung einer tragfähigen und flexiblen Schweizer Open Banking Lösung widmet. Hierin sollten alle relevanten Vertreter des Schweizer Finanzplatzes vertreten sein. Die Standardisierung und Öffnung von Schnittstellen am Finanzplatz Schweiz sollte Kern der Selbstregulierung sein. Die Mitglieder der Vereinigung sollten zum einen (technische) Standards der Finanzanbieter-APIs definieren, zum anderen auch Kriterien aufstellen, unter denen Drittanbietern ohne individuelle Selektion auf Kundenwunsch Zugang zu dessen Daten gewährt werden muss.
1. Hintergrund
Die 2007 in Kraft getretene Payment Services Directive ist eine EU-Richtlinie der Europäischen Kommission zur Regulierung von Zahlungsdiensten und
Zahlungsdienstleistern in der gesamten Europäischen Union (EU) und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Ziel der Richtlinie war und ist es, den
europaweiten Wettbewerb zu steigern sowie durch die Harmonisierung des Verbraucherschutzes und die Einführung von Rechten und Pflichten für Zahlungsdienstleister und Nutzer gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
Am 8. Oktober 2015 verabschiedete das Europäische Parlament den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Schaffung sichererer und innovativerer europäischer Zahlungen (PSD2). Die neuen Regeln zielen darauf ab, die Verbraucher besser zu schützen, wenn sie online bezahlen. Zudem sollen die Entwicklung und Nutzung innovativer Online- und Mobilfunkzahlungen gefördert und die grenzüberschreitenden europäischen Zahlungsdienste sicherer gemacht werden. Die neue EU-Zahlungsdienste-Richtlinie PSD2 soll auch die Markteintrittshürden senken und so den Wettbewerb stärken und Innovation fördern. Die Banken werden verpflichtet Zahlungsdienstleistern diskriminierungsfreien Zugang zu den Daten der Bankkunden zu ermöglichen.
2. PSD2 und die Schweiz
2.1 Entscheid über eine analoge Regulierung wäre verfrüht
Da es sich bei der PSD2 um eine EU-Richtlinie handelt, gilt sie nicht in der Schweiz. SFS ist der Auffassung, dass ein Entscheid darüber, ob und inwieweit eine PSD2-analoge Regulierung in der Schweiz eingeführt werden sollte, verfrüht ist. SFS ist der Ansicht, dass es noch zu viele offene Fragen gibt und die tatsächliche Umsetzung in der EU abzuwarten bleibt. Die Entwicklungen in der EU sollten jedoch aufmerksam beobachtet werden.
2.2 Marktzugang für Schweizer Unternehmen muss gewährleistet sein
PSD2 gilt zwar nicht in der Schweiz, aber Schweizer Unternehmen, welche in der EU aktiv sein wollen, müssen sie beachten. Dies stellt Schweizer Finanz- und Technologieprovider vor die Frage, ob sie ein Tochterunternehmen oder eine Zweigniederlassung in der EU gründen und/oder ihre Geschäftstätigkeit in die EU verlagern müssen, um als Zahlungsdienstleister in der EU tätig sein zu können. SFS ruft daher den Gesetzgeber auf, mit der EU über den Marktzugang für Schweizer Unternehmen zu verhandeln und gegebenenfalls die Möglichkeit für Schweizer Unternehmen zu schaffen, sich einer eingeschränkten Aufsicht in der Schweiz zu unterstellen, wenn nur so der Marktzugang gewährleistet werden kann. Zugleich ist es SFS ein grosses Anliegen, dass die Anstrengungen in Sachen internationale Marktzugänge und Passporting in Asien, USA und der EU intensiviert werden.
3. Erhebliche Bedeutung von Open Banking für die Schweizer Volkswirtschaft
3.1 Potential für Innovationen
Open Banking spielt eine wichtige Rolle in der Umsetzung der vom Bundesrat verabschiedeten Strategie “Digitale Schweiz”. Die Öffnung und/oder Standardisierung der Schnittstellen kann einen signifikanten Beitrag zu einer dynamischen Entwicklung der Schweizer Volkswirtschaft leisten. Dabei geht es nicht nur darum neue Zahlungsmethoden einzuführen, sondern das Fundament für die nächste Digitalisierungswelle zu legen.
Die Digitalisierung ist zunehmend auch für KMU von erheblicher Relevanz. Innovationen und Skaleneffekte führen dazu, dass neue Dienstleistungen für KMU erschwinglich sein werden. Für sie besteht die Möglichkeit interne Prozesse zu vereinfachen und zu verbessern sowie die Kosten von administrativen Tätigkeiten zu
reduzieren.
Die denkbaren Anwendungsbereiche von Innovationen sind vielseitig und eröffnen neue heute noch nicht abschätzbare Anwendungsbereiche. Sie reichen z.B. von:
● Integration ERP Systeme und somit Vereinfachung und Digitalisierung von Buchhaltungsprozessen
● Vereinfachung Spesen und Abrechnungen
● Verbesserung des Risikomanagements in Unternehmen durch direkten Zugriff auf die Finanzdaten
● Automatische Real-Time Daten zur finanziellen Situation des Unternehmens
● Neue innovative Dienstleistungen von Drittparteien im Bereich Personal Finance und eCommerce Lösungen
3.2 Datenschutz
Beim Open Banking behält der Kunde die Kontrolle über seine Daten. Ihm alleine obliegt der Entscheid, ob er externen Diensteanbietern über Schnittstellen Zugriff auf seine originär von der Bank erhobenen (Personen-)Daten gewähren und welche Weiterverarbeitung er dem Diensteanbieter erlauben will. Solche Kontrollrechte sind im Schweizer Datenschutzrecht inhärent und werden mit der Revision des
Schweizer Datenschutzgesetzes sogar ausgebaut und gestärkt.
Dieser Grundsatz sollte aus Sicht von SFS aber nicht nur in der Beziehung Kunde – Bank, sondern auch in allen anderen Geschäftsbeziehungen des Kunden zu kundendatenhostenden Unternehmen wie zum Beispiel Versicherungen, Telekommunikations-, Technologie- oder Medienunternehmen gelten. Der Kunde sollte in keiner Industrie unter dem Deckmantel des Datenschutzes bevormundet und Innovation verhindert werden. Letztlich bedeutet Datenschutz, das Vertrauen des Kunden zu erhalten. Gefordert sind Transparenz der Datenerhebung und -verarbeitung sowie Wahlrechte für den Kunden.
3.3 Sicherheit
SFS ist der Auffassung, dass dem Thema Sicherheit der Kundendaten im elektronischen Banking eine zentrale Rolle zukommt. Für die von SFS vertretenen Startups ist dieses Thema daher von hoher Priorität. Aus Sicht von SFS kann die Sicherheit der Kundendaten im Zuge von Open Banking durch dezidierte APIs deutlich besser gewährleistet werden als heute durch Screenscraping, d.h. das Auslesen der Website, wie sie dem Kunden zur Verfügung steht, ohne jegliche Beschränkungen.
3.4 Selbstregulierung als Chance
SFS ist der Auffassung, dass eine tragfähige und flexible Schweizer Open Banking Lösung am besten im Wege der Selbstregulierung ausgearbeitet werden kann. SFS schlägt daher vor, eine Vereinigung (SRO “Open Banking”) zu gründen, welche sich im Wege der Selbstregulierung der Ausarbeitung einer tragfähigen und flexiblen Schweizer Open Banking Lösung widmet. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte diese Selbstregulierung dann rechtlich verankert werden. Synergien mit bestehenden Organisationen, die sich dem Thema widmen, sollten genutzt werden.
4. Ausblick
Es geht um die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Schweiz. Banken und Startups sollten zusammenarbeiten, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Dabei gilt es die besonderen Stärken der Schweiz zu nutzen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Dies würde nicht nur dem Finanzplatz Schweiz, sondern der gesamten Volkswirtschaft zugutekommen.
Für die rechtliche Unterstützung bei der Ausarbeitung dankt der Verband Swiss Finance Startups und seine Mitglieder der Kanzlei Vischer.
SFS Positionspapier downloaden
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